Halb gelesene Bücher

Vor einem Monat habe ich ein Fachbuch über Hochsensibilität in die Hand genommen, dass ich mir vor knapp zwei Jahren gekauft hatte. Damals war ich natürlich sehr enthusiastisch und habe sofort angefangen zu lesen, doch nach gut einem Drittel gelesener Seiten legte ich es wieder weg. Schlechtes Gewissen kam hoch, denn ich wollte doch noch mehr über das Persönlichkeitsmerkmal der Hochsensibilität lernen, wollte weiter wachsen.

Ich bin damit nicht alleine.

Ich erkannte ein Muster. Fachliteratur habe ich oft nicht zu Ende gelesen und im Gespräch mit anderen hochsensiblen Personen festgestellt, dass es ihnen ähnlich geht.
Puh, ich war erleichtert und gleichzeitig neugierig, wieso das so ist.

Gründe für meine Lesegewohnheit

Ich lese Fachliteratur, um etwas Neues zu lernen oder Vorhandenes zu vertiefen. Habe ich die Information, die ich aufnehmen wollte, gefunden und bestenfalls auch verinnerlicht, dann ist meine Neugierde befriedigt. Dabei ist es vollkommen egal, auf welcher Seite ich mich im Buch befinde.

Dann gibt es auch Fachbücher, die den gesuchten Inhalt nicht liefern oder so geschrieben sind, dass ich sie gar nicht erst verstehe oder es mich langweilt. Dann heißt es hier: meine Zeit verwende ich für schönere und nützlichere Dinge.

Es gibt auch Bücher, da wiederholen sich die Inhalte auf gefühlt jeder dritten Seite. So ein Buch könnte also deutlich dünner ausfallen und ich beschließe dann, das es für mich auch dünner ist; also, weg damit.

Manchmal merke ich, dass ich mit diesem Buch bzw. dem Thema dieses Buches mir ein neues Wissensgebiet erarbeiten kann, für das die Zeit doch noch nicht reif ist. Dieses Buch bekommt dann einen besonderen Platz in meinem Bücherregal.

Diese Bücher und auch die anderen stehen dort so lange, bis ich einen Impuls bekomme. Dieser Impuls kommt immer zum richtigen Zeitpunkt. Ich erlebe dann die Synchronizität, dass ich kurz nach dem Weiterlesen zu genau diesem Thema etwas beitragen kann, in Form eines Vortrages oder dieser Aspekt in einem Coaching total wertvoll ist.

Das neue Thema oder Wissensgebiet bekommt in meinem Leben dann auch die Relevanz oder den zeitlichen Rahmen, den es braucht, um sinnvoll gelebt zu werden.

Kennst du diese Lesegewohnheit auch, egal, ob du hochsensibel bist oder normalsensibel?

P.S. Belletristik lese ich natürlich zu Ende …

Nein-sagen

Grenzen setzen – Nein sagen

– ein Grenzthema nicht nur für Hochsensible und Frauen im Wandel

 

Laut Wikipedia ist eine Grenze der Rand eines Raumes und damit ein Trennwert, Trennlinie oder Trennfläche.

Eine Grenze kann also definiert und sollte dann kommuniziert werden, damit Grenzverletzungen klar benannt werden können.

Welche Arten von Grenzen gibt es beim Menschen?

Die physische Grenze bezieht sich auf den eigenen Körper und den Raum, den er einnimmt. Wir können bestimmen, was wir essen möchten, wie und von wem wir berührt werden wollen, was wir körperlich leisten können. Die mentalen und emotionalen Grenzen werden um unsere Gedanken und Meinungen, um unsere Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche gezogen. Im Rahmen der sozialen Grenzziehung geht es um unsere Freunde, Hobbys, Aktivitäten und damit auch der uns zur Verfügung stehenden Zeit. Eine für Hochsensible und alle Menschen in der Lebensmitte bewegende Grenze ist die der Spiritualität, damit meine ich den Glauben oder auch Nicht-Glauben, verbunden mit der Frage nach dem Sinn des Lebens, nach dem Sinn des eigenen Lebens.

Warum eine Grenze setzen?

Bevor wir eine Grenzlinie ziehen, sollte uns bewusst werden, wieso Grenzen wichtig sind.

Wird dem Wasser im Teich keine Grenze gesetzt, dann zerfließt es in alle möglichen Richtungen, verliert es seinen Zusammenhalt. Genauso passiert es einem Menschen, wenn er seine Energie nicht beisammen hält, sie jedem gibt, der danach fragt oder sie sogar ungefragt verschenkt.

Er ist dann nicht mehr bei sich selbst, lässt sich von Anderen Grenzen setzen und somit in Rollen drängen, die hauptsächlich den Anderen dienlich sind. Geschieht dies lang genug, verliert er vielleicht sogar den Respekt vor sich selber. Die Folgen sind häufig Gefühle von unglücklich, traurig oder frustriert sein, Lustlosigkeit bis hin zu Burnout oder Krankheit.

Setze ich Grenzen, erhalte ich meine Selbstachtung und kann damit die Achtung meiner Mitmenschen erlangen.
Setze ich Grenzen, kann ich selber die Rollen definieren, die ich auch erfüllen kann und damit kann ich authentisch, wahrhaftig sein.
Setze ich Grenzen, habe ich die Chance auf ein gutes Leben.

Woran erkenne ich meine Grenze?

Grenzsetzung ist unabdingbar für ein gelungenes und erfüllendes Leben.

Für mich ist die Grundvoraussetzung für ein solches Leben dabei die Bereitschaft, dafür auch die Verantwortung zu übernehmen. Getreu dem Spruch „Jeder ist seines Glückes Schmied“ nehme ich die Ereignisse des Lebens und Äußerungen von Mitmenschen nicht einfach hin, sondern versuche die positiven Aspekte zu sehen. Ok, beim Versuch aus manchen Zitronen eine Zitronenlimonade zu machen, gerate ich dann schon mal an meine Grenzen.
Das äußert sich direkt z.B. in Unwohlsein, besonders im Magen-Darm-Trakt, oder in Kopfschmerzen. Manche Grenzüberschreitungen habe ich auch erst einige Zeit später erkannt und beim daran denken kam dann eine Hitzewallung, mitunter auch das Gefühl von Scham. Ärger ist auch ein Zeichen von Grenzverletzung.

Wie setze ich eine Grenze? Welche Voraussetzungen braucht es?

Ich formuliere für mich diese erfahrene Grenze und beziehe möglichst alle Grenzarten mit ein.
Dabei stelle ich mir Fragen (an dem Beispiel einer verkürzten Mittagspause möchte ich die Überlegungen greifbarer machen.):

  • Welche Werte sind hier für mich wichtig?
    (Die Pause ist mir wichtig für die Ruhe im Geist und den Körper; ich gehe achtsam mit mir um.

  • Wie viel bin ich bereit für andere zu tun?
    (Grundsätzlich bin ich hilfsbereit und habe dabei die Not oder auch Bequemlichkeit des Anderen im Blick.)

  • Wie viel Widerstand von Anderen bekomme ich, kann ich aushalten?
    (Bei fast zeitgleicher Mittagspause gibt es wenig Widerstand und ich rechne mit Verständnis der Anderen.)

  • Wie flexibel ist diese Grenze?
    (Abhängig von meinem körperlichen Zustand kann ich im Notfall mal eine Ausnahme machen.)

Fallen Dir noch andere Fragen ein? Schreib sie gerne in die Kommentare.

Wenn ich mit diesem Frageprozess einigermaßen durch bin, kann ich meine Grenze auch nach Außen kommunizieren, sie also meinen Mitmenschen mitteilen.
Der Kollegin, die in meiner Mittagspause kurz über die Abrechnung sprechen möchte, kann ich dann mitteilen, dass mein Körper (meine Füße, mein Rücken) jetzt etwas Ruhe und mein Geist Abstand braucht, dass ich das Bedürfnis habe, Entspannungsmusik zu hören.

Bedürfnis ist das Stichwort für eine weitere Überlegung:

Wo die Grenze ziehen?

Orientierung für die Grenzlinien geben meine vorhandenen Ressourcen und meine Bedürfnisse. Da diese je nach Lebensumfeld und Tagesform unterschiedlich und veränderlich sind, setze ich diese Grenzen weit genug, um mich selber darin frei bewegen zu können. Eine enge Grenze wäre beim Thema Mittagspause ein kategorisches Nein zu Unterbrechungen. Da ich manchmal selber das Bedürfnis nach einem Gespräch habe, möchte ich die Verletzung der eigenen Grenzen vermeiden.

Besonders in den Wechseljahren ändert sich unser Lebensumfeld, denn die Kinder sind entweder schon aus dem Haus oder ihr Auszug ist absehbar. Die uns zur Verfügung stehende Zeit ändert sich und wir können sie anders auf unsere Rollen (Arbeitnehmerin, Selbstständige, Ehepartnerin, Sport Treibende, im Verein Tätige, …) verteilen. Auch die körperliche Ressource ändert sich und daraus ergibt sich automatisch die Überlegung, dass neue Grenzlinien gezogen werden dürfen.

Grenzen kommunizieren – eine sehr große Herausforderung

Worte können Fenster sein – oder Mauern“, so hat es Marshall B. Rosenberg, der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation formuliert. Eine Grenze kann zwar mit einer Mauer markiert werden, doch an einer Mauer prallt auch so einiges ab. Ich möchte mit meiner Grenzsetzung mein Gegenüber durch das Fenster einladen, mich als einen Menschen mit Werten zu erkennen. Das kann ich nur dann tun, wenn ich mein Gegenüber auch so sehe und ihm entsprechend wertfrei gegenüber trete.

Moment mal, was denn nun? Wertfrei, Werte sehen, wie passt das zusammen?

Indem ich eine Situation beobachtend beschreibe, ohne eine Wertung vorzunehmen, öffne ich mich der Sicht des Anderen. „Hallo Martina, Du fragst mich gerade in meiner Mittagspause um Rat.“ klingt doch ganz anders als „Martina, schon wieder stellst Du mir in meiner Mittagspause nervige Fragen“.
Bei der ersten Antwort habe ich Martina eingeladen mir weiter zuzuhören und dann mein Bedürfnis nach Ruhe zu erkennen. Die zweite Antwort zieht eine Mauer hoch, an der Martina zurück prallt und sich mindestens mit einer Beule zurück zieht oder mich mit einem Wortschwall bedeckt.

Du hast es bestimmt schon erkannt; hinter dieser Haltung steckt die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg.

Mit meinem nächsten Satz äußere ich dann mein Bedürfnis nach Ruhe.

Fassen wir noch mal kurz die Grenzziehung zusammen:

  • Verantwortung für sich selbst übernehmen

  • eigene Werte, den Selbstwert formulieren

  • eigene Grenzen kennen lernen

  • Grenzen für sich selbst in Worte fassen

  • Grenzlinien formulieren

  • Grenzen klar nach Außen mitteilen und dabei „gewaltfrei“ bleiben

Das klingt jetzt alles recht selbstbewusst, doch was ist, wenn ich ein schlechtes Gewissen habe?

Grenzen setzen und Nein-Sagen ohne schlechtes Gewissen

Seine Grenze kennen und sie dann auch zu verteidigen erfordert Mut und damit das Akzeptieren von Angst.

Die Angst

Diese Ängste sind unberechtigt, denn Menschen mit Werten sind wertvoll.

Folgende kleine Übungen können dir helfen, Deine Angst in Mut zu verwandeln.
Fang klein an, denn damit trainierst du den Umgang mit dem erst einmal unangenehmen Gefühl des Nein-Sagens.

  • Zur Kassiererin: „Es tut mir leid, ich habe es nicht passend.“; auch wenn es doch so sein sollte
  • Bei einer Ansprache in der Fußgängerzone: „Nein, ich habe kein Interesse an Ihrer Umfrage teilzunehmen.“
  • In der Warteschlange: „Nein, ich möchte sie nicht vorlassen.“ Achtung, es bedarf keiner Rechtfertigung dieser Aussage!
  • Überlege dir eine Situation, in der du üblicherweise zu schnell Ja sagst und stelle sie dir mit einem Nein vor.

Fallen Dir noch ein paar Beispiele ein? Schreib Sie gerne in die Kommentare.

Ein Nein muss nicht absolut, sondern kann z.B. zeitlich begrenzt sein. Fragt mich jemand sofort um Hilfe, dann sage ich für das „sofort“ Nein und kann gleichzeitig meine Hilfe für einen späteren Zeitpunkt anbieten.

Falls Du auch mal unschlüssig sein solltest, ob das Nein jetzt nun angebracht ist oder nicht, dann bitte um Bedenkzeit bis zur Antwort. Das muss ja nicht die „Nacht zum drüber schlafen sein“, es reichen evtl. auch fünf Minuten.
Übrigens, du wirst erstaunt sein, wie viele Menschen dein Nein akzeptieren.

Ich hoffe, ich habe dich ein Stück weiter auf den Weg der Grenzsetzung bringen können.

Nein?

Dann schreib mir, was Dir fehlt oder wie ich dich weiter unterstützen kann.

 

Bildquelle: Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

Beachtung finden …

… lebensnotwendig für Hochsensible

Einsam ziehe ich in einem der beiden Außenpools einer Hotelanlage meine Bahnen. Immer wieder schaue ich, ob ich beobachtet werde, ganz besonders von einer bestimmten Person, denn ich möchte von ihr beachtet werden. Sie ist nicht gekommen, hat mich nicht gesehen und wenn sie doch gekommen wäre, dann wären meine Bewegungen nicht mehr so schön fließend gewesen, wäre ich unsicher geworden.
Auch im Berufsleben spiegelt sich diese Ambivalenz wider. Einerseits möchte ich, dass meine Arbeit anerkannt wird, doch dafür vor allen Leuten gelobt werden? Ne, dass geht gar nicht.

Ich habe lange darüber nachgedacht, wieso ich zum einen gesehen werden möchte und dennoch den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit meide.

Warum ist dem so?

Hochsensible wollen beachtet werden, es ist für sie unglaublich wichtig. Geachtet werden ist auch wichtig, doch so richtig bewundert werden, ist meist etwas viel für sie.
Ich kenne das aus eigener Erfahrung,
denn bei Bewunderung fühle ich mich irgendwie peinlich berührt, möchte gerne aus dieser Situation wieder raus. Ich stehe auch lieber am Rand des roten Teppichs statt mitten drauf und beobachte die Menschen.
Was sind Deine Erfahrungen mit Bewunderung?

Wieso ist es dann aber so wichtig, dennoch gesehen zu werden, Beachtung zu finden?

Ihr werdet jetzt sagen, dass das auf alle Menschen zutrifft und da gebe ich euch absolut recht. Keiner mag es, wenn ein Kollege ohne Gruß an einem vorbei geht oder man vielleicht bei einer Spontaneinladung zu einem Kaffee mal übersehen wird. Normalsensible reagieren dann enttäuscht oder ein wenig traurig und vergessen meist diese Erfahrung oder geben ihr eine geringe Bedeutung. Hochsensible jedoch fürchten gleich Schlimmes und fühlen sich evtl. sogar in ihrer Existenz bedroht.

Ein bischen Theorie

Die Transaktionsanalyse kennt das Modell der drei Ich-Zustände (Kind-Ich, Erwachsenen-Ich und Eltern-Ich) und dem Kind-Ich werden die Gefühle zugeordnet. Hochsensible verfügen über ein recht empfindliches Kind-Ich, Luca Rohleder (hochsensibilitaet-netzwerk;Drei-Ich-Modell nach Rohleder) prägte den Begriff des Neugeborenen-Ich. Ein Neugeborenes, das nicht beachtet wird wenn es zum Beispiel schreit, schwebt in Lebensgefahr, ist in seiner Existenz bedroht.Eine hochsensible Person und ihr Neugeborenes-Ich empfindet eine Nichtbeachtung auch als Existenzbedrohung.

Die Praxis

Ein schreiendes Baby, das weder Hunger, noch eine volle Windel hat, möchte meist einfach nur wissen, dass es von jemandem beachtet wird und damit die Gewissheit haben, dass es existieren darf. Daher sind sie oft schon zufrieden, wenn sie einfach nur dabei sein dürfen, wenn die Zimmertüre offen steht oder sie in der Wippe auf dem Küchentisch liegend der Mutter beim Arbeiten zusehen können. Die Eltern unter euch haben bestimmt öfters diese Erfahrung gemacht und wissen, wovon ich spreche.
Eine hochsensible Person ist genauso beruhigt, wenn sie beachtet wird, wenn sie ein freundliches Nicken bekommt oder den Guten-Morgen-Gruß eines bestimmten Menschen über den Messenger.

Ich bin doch normal

Mich hat es beruhigt zu wissen, dass diese Ambivalenz in mir vollkommen normal ist, ein Teil meiner hochsensiblen Persönlichkeit darstellt.

Wenn Du auch unsicher bist und mehr über deine Hochsensibilität und den Umgang mit ihr wissen möchtest, dann lass uns gerne darüber reden https://claudia.neffgen-nekes.de/kontakt.

Möchtest du etwas mehr über die Gratwanderung zwischen Genialität und Zusammenbruch erfahren, kann ich Dir das Buch von Luca Rohleder: „Die Berufung für Hochsensible“ empfehlen. Hier der direkte link zum Buch: https://tidd.ly/3z9bJ3U.
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(Bildquelle: Pixabay, 460273)