Nur Beobachtung oder doch Bewertung?

Vor kurzem habe ich das Frühstücksbuffet eines Hotels ausgiebig genossen. Es war mit nur zwei besetzten Tischen angenehm ruhig. So ruhig, dass es mir schwer fiel, das Gespräch des älteren Ehepaares am Nachbartisch zu ignorieren.

Noch bevor die Frau sich an ihren Platz setzte, sprach sie eine Angestellte auf die Betten in ihrem Zimmer an. „Also, hören Sie mal. Diese Betten sind ja nix für normale Menschen, da kommt einem ja die Magensäure hoch.“ Dann beschrieb sie, wie sie Abhilfe geschaffen hat. Wenig später hörte ich Sätze zu ihrem Mann, wie: „Also wenn so etwas noch einmal vorkommt, dann musst du da aber anderes reagieren.“ Ihr Mann zuckte bei diesem Satz mit den Schultern. Ob er weiß oder eine Ahnung hat, wie er dann reagieren soll? Will er das überhaupt?

Hat er überhaupt was zu wollen?

Das fragte ich mich bei ihrem letzten Satz, den ich noch mitbekommen habe. Beide wollten auf der Terrasse noch einen Kakao trinken, den sie schon per Knopfdruck aus dem Heißgetränkeautomaten organisiert hatte. Sie probierte die Süße und entschied für sich, dass er süß genug war. Ihrem Mann billigte sie zu, dass er selber Süßen dürfe: „… aber du weißt ja, kein Zucker, nur Süßstoff.“

Oh man, werde ich im Alter auch so reden?

Beobachtung oder schon Bewertung?

Jetzt stecke ich etwas in der Klemme, denn aus meiner Beobachtung ist eine Bewertung geworden.

Beim Satz über die Süße des Kakaos tänzelte ihr erhobener Zeigefinger vor der Nase ihres Mannes, eine für mich eindeutig belehrende Geste und damit auch Haltung.

Jetzt ist das Fällen eines Urteils über sie nur noch ein kleiner Schritt.

Ihr Ehemann hat mir ein bisschen leid getan, obwohl ich gar nicht weiß, wie er das Verhalten seiner Frau empfindet, ob er sich überhaupt selber leid tut.
Hört er seiner Frau noch zu oder hat er längst die innere Scheidung eingereicht?

Was hat das mit mir zu tun?

Ich möchte in meiner Kommunikation den Blick auf meinen Gegenüber wertfrei und offen halten, damit meine Gesprächspartner auch in Zukunft gerne mit mir reden.

Meine Konsequenzen

  • mein innerer Beobachter in Gesprächen ist immer wach
  • gute Freunde animiere ich ein äußerer Beobachter zu sein, der Feedback geben kann
  • ich frage mich, wo meine Werte wirklich so angekratzt werden, dass ich in die Bewertung gehe

Das alles bedarf einer stetigen Übung und einem achtsamen Umgang mit mir. Ich möchte präsent sei, im Hier und Jetzt leben.

Wie macht Ihr das? Habt Ihr Tools, die Euch helfen, mit allen Sinnen anwesend zu sein?

Bildquelle: OpenClipart-Vectors auf Pixabay

Niederlage

Niederlagen überwinden – mit 5 Schritten raus aus dem Tal

Niederlage, ein Wort, dass meist eine Schwere in uns hervorruft, denn wir liegen am Boden, sind „am Boden zerstört“, sind nicht nur gestolpert, sondern gescheitert. Wird eine langjährige Ehe beendet heißt es oft „die Ehe ist gescheitert“. Viele Frauen in den Wechseljahren erleben eine Wandlung ihrer Beziehung, die aus dem Wandel ihres hormonellen Gefüges und damit einem Wandel ihrer Selbst entstanden ist. Am Beginn der Ehe steht das Versprechen, sein Leben gemeinsam zu gestalten, in guten wie in schlechten Tagen und wer katholisch heiratet verspricht sich zudem auch noch die Ehe „bis das der Tod uns scheidet“. Dieses Ziel wurde bei einer (staatlichen) Scheidung nicht erreicht, wir haben also versagt, das Gesagte nicht eingehalten, uns gar „ver-sprochen“? Die aus dieser Niederlage heraus entstehenden Gefühle können Trauer, Wut und Frust sein und die entstehen auf beiden Seiten. Ja, auch derjenige, der seinen Partner verlässt, empfindet niederdrückende Gefühle. Wie geht es nun weiter, denn stehen bleiben ist eine schlechte Option. Die folgenden Schritte dürfen auf alle Niederlagen, Misserfolge, Rückschläge, … angewendet werden.

1. Schritt – Akzeptanz

Zu Beginn einer Trennung steht oft der Versuch, diese rückgängig zu machen, den Partner mit lieben Worten oder mit unschönen Szenen an sein Versprechen zu erinnern. Die daraus entstehende Diskussion kann fruchtbar sein und die Beziehung wieder aufgenommen werden. Falls dies nicht gelingt, wird meistens sichtbar, dass auch der Verlassene seinen Anteil an der Trennung hat. Das ist ein guter Schritt, um die Trennung akzeptieren zu können. Akzeptieren heißt also, seinen eigenen Anteil an der Niederlage, den Misserfolg zu erkennen und sich nicht als Opfer der Umstände oder gar des Schicksals zu sehen.

2. Schritt – Gefühle zulassen

Da wir nicht nur denkende, sondern im Besonderen auch fühlende Wesen sind, treffen uns auch hier die verschiedensten Gefühle. Diese können neben der Trauer, Wut und Frust auch Enttäuschung, Verzweiflung und Angst sein. Robert Betz sagt gerne: „Gefühle wollen gefühlt werden.“ und das ist richtig so. Verneinen wir diese Gefühle, schlucken sie gar runter, dann entsteht schon mal ein Magengeschwür. Gefühle missachten ist also wenig hilfreich. Genauso wenig hilfreich ist es, sich den Gefühlen unkontrolliert und unbegrenzt hinzugeben, also sich darin zu baden, z.B. in Selbstmitleid. Nach der Akzeptanz der Situation darf also für eine begrenzte Zeit den Gefühlen Ausdruck verliehen werden, damit der Blick auf den nächsten Schritt durch die Tränen der Trauer oder Wut nicht vernebelt wird.

3. Schritt – Sinn finden

Da wir nicht einfach nur Opfer der Umstände sind, sind wir auch Täter und wir können nun darüber nachdenken, welche Tat zur Situation geführt hat. Was ist unser Beitrag oder auch das, was wir eben nicht getan haben? Wichtig ist hier ein offener und ehrlicher Blick, also die Verantwortung übernehmen und nicht abgeben, was ja der Opferhaltung entsprechen würde. Selbstverantwortung in einem gesunden Maß übernehmen, also starke Selbstkritik vermeiden, denn die verleitet schnell zu Schuldgefühlen. Gedanken wie „hätte ich doch …“ oder „wie konnte ich nur …“ sind deprimierend und füttern einzig und allein unseren inneren Kritiker, der dann jedes andere Teammitglied unseres inneren Teams mundtot macht. Spricht nur einer aus diesem Team, verlieren wir die ganzheitliche Sicht, schauen auf uns herab und die Achtung vor uns selbst kann verschwinden. Normalerweise handeln wir ja aus bester Absicht heraus und wenn dieses Handeln erfolglos war, dann hat dies einen höheren Sinn. Der dänische Philosoph Søren Kierkegaard hat dies gut formuliert: „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.“ Ich persönlich halte mich gerne an den Spruch meiner Großmutter: „Kind, wer weiß, wofür es gut ist.“ Jetzt gilt es also, den Blick wieder nach vorne zu richten, dem Leben einen neuen Sinn geben.

4. Schritt – in die Zukunft schauen

Der Sinn meiner Ehe waren wohl auch die fünf wunderbaren Kinder, die daraus hervorgegangen sind; das Ziel wurde erreicht („… nehmt ihr die Kinder an, die Gott euch schenken wird?“). Jetzt gilt es neue Ziele im weiteren Leben zu finden. Bei einer Ehe kann ich schlecht einen Plan B oder C entwickeln, doch bei jedem anderen Ziel oder Projekt ist das möglich. (Falls ihr da anderer Meinung seid, schreibt mir dies bitte in den Kommentar; ich lerne gerne hinzu.) Hier solltet ihr dann die Gedanken aus dem dritten Schritt mitnehmen und daraus die Konsequenzen ziehen. Ist das Projekt misslungen, weil ihr Hilfe brauchtet? Dann sucht euch jetzt rechtzeitig Hilfe, Unterstützung oder Verbündete. Hast du in deiner Partnerschaft zum Beispiel Sprachlosigkeit erfahren, dann beschäftige dich vor der nächsten Beziehung mit dem Thema Kommunikation. Lese Bücher dazu, belege Kurse und wenn es in der neuen Partnerschaft kriselt, dann hol dir einen Coach für Paare (ich mag in diesem Zusammenhang den Begriff der Paartherapie nicht). 5. Schritt – die Zukunft gestalten Die Zukunft kann ja nur bedingt geplant werden, das Leben findet schließlich im Hier und Jetzt statt und gleichzeitig gestalten die Gedanken, die ich jetzt habe, meine Zukunft (siehe hierzu: https://www.der-innere-weg.de/der-innere-weg/schatztruhe/achte-auf-deine-gedanken/) Mache dir also ein Bild von deinem Ziel. Woran erkennst du, dass du dein Ziel erreicht hast? Bei einer Bewerbung kannst du dir vorstellen, wie dein Name auf dem Schild an deiner Bürotüre wohl aussieht. Bei einer Partnerschaft kannst du dir vorstellen, wie ihr gemeinsam die Wohnung renoviert und dabei Hand in Hand arbeitet. Wozu das jetzt? Wieso soll ich tagträumen? Bei der bildlichen Vorstellung des Zieles wirst du motiviert, über die einzelnen Schritte dorthin nachzudenken. Beim Nachdenken erkennst du rechtzeitig die Stolpersteine und die Chancen, das Ziel zu erreichen, steigen. Hier ein kleiner Tipp: Stell dir nicht nur bildlich dein Ziel vor, sondern nimm noch die anderen Sinne hinzu. Welche Musik hört ihr beim Renovieren? Wie fühlen sich die Farbspritzer auf der Haut an? Wie wird dir das „Bier auf der Baustelle“ schmecken? Wie riecht frisch gesägtes Holz? Das alles ist natürlich keine Garantie, dass du diesmal dein Ziel in Gänze erreichen wirst, doch garantiert wirst du Erfahrungen machen, die dich im Leben weiter bringen. Hierzu passt der Spruch: Der Weg ist das Ziel.

Hier noch ein paar Lebensweisheiten:

Die Dinge, die man falsch gemacht hat, bereut man nicht so sehr wie die, die man gar nicht erst versucht hat. Wer einen Fehler macht und ihn nicht korrigiert, begeht einen Zweiten. (Konfuzius, chinesischer Philosoph) Es ist nicht unser größter Triumph, niemals hinzufallen, sondern danach jedes mal wieder aufzustehen (Konfuzius) oder in heutigen Worten: Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weiter machen … Hier noch ein Gedanke, ein Refraiming: Niederlage = etwas nieder legen, damit man etwas Neues aufnehmen kann (Bildnachweis: Roark auf Pixabay)